Das „menschliche Maß“ Leopold Kohrs bleibt die Quintessenz der Aktivitäten

Auch heuer will dieser Kulturverein in Neukirchen am Gr. Ven. wieder berühren, inspirieren und zu eigener Kreativität anregen. Und: Die Probleme der Zeit aktiv ansprechen.

„Geistiger Vater“ von TAURISKA und der Leopold Kohr-Akademie ist der Salzburger Philosoph und Weltbürger Leopold Kohr (1909-1994) und so gewissermaßen auch die moralische Instanz. Was der Alternativ-Nobelpreisträger stets gefordert hatte – etwa Achtsamkeit im Leben und im Konsum; Bedacht auf die Umwelt und ihre Ressourcen; die Betonung auf Eigenständigkeit und politische Mündigkeit – das wird von diesem Verein in vielen Diskussionen zum Thema gemacht. Dem großen Denker Kohr waren Maßlosigkeit, Machtanhäufung, unbegrenztes Fortschrittsdenken von einzelnen bis hin zu ganzen Nationen ein Dorn im Auge. 30 Jahre sind vergangen, seit er in Salzburg mit anderen hochrangigen Rednern – wie dem Zukunftsforscher Robert Jungk – Stellung bezog: „Klein sein oder nicht sein. Für eine Kultur der Selbstbeschränkung“ war der Titel dieses Symposiums, welches nun im TAURISKA-Verlag zusammengefasst erschienen ist. Das von Günther Witzany herausgegebene Buch macht deutlich: Die Umsetzung der damals besprochenen Lösungsansätze wäre heute wichtiger denn je! Übrigens: Wer Kohrs Thesen, Ideen und Gedanken nachspüren will, kann dies in den „Tagen der Archive“ am 3. Juni tun. Dies im Nachlass Kohrs im Haus der Gesellschaftswissenschaften der Universität Salzburg. 

„Akademische Wirtshäuser“ und „Kohr-Cafés“ bleiben die Begegnungs-Hotspots

Kohr liebte tiefsinnige Gespräche, aber auch muntere Stammtische mit Menschen aller Couleurs. Seine Art zu kommunizieren und zu feiern hat TAURISKA beibehalten. Auch der Verein bemüht sich um die Vielfalt an Persönlichkeiten und Themen. Es wird beispielsweise die „Stärkung des Immunsystems“ von vielen Seiten beleuchtet. Dann wiederum gibt es diese „handfesten“ Treffen, für die der Kulturverein bekannt ist. „Knödeln wir uns zusammen“ ist beispielweise im August die Einladung der Ernährungspädagogin Margit Brauneder und Waltraud Galle zur Reste-Verwertung von Lebensmitteln beim Museum Bramberg.

Die Brücke schlagen zwischen Wissenschaft und Volks-Heilwissen

Die Tagung „Mythos und Logos“, initiiert von der Ernährungswissenschafterin und Buchautorin Karin Buchart, soll am 18. Oktober Medizin und tradiertes Heilwissen in Bad Unken/Ford Kniepass Unken einander näherbringen. Um die „Spiritualität der Alpen“ geht es am 4. Juli wiederum in einem Vortrag des Salzburger Künstlers Karl Hartwig Kaltner. Am 8. Juli wird Markus Schneider sich dem Thema „Heimat oder Fremd sein“ widmen. Ferner wird dem heilenden Effekt der Krimmler Wasserfälle bei Allergien und Asthma in einer Wanderung am 6. Juni nachgegangen. „Gesundes kann man auch selber herstellen“, sagt sich indes Gernot Reiter, der am 5. September im Gasthaus Essiger in Mittersill seinen selbstgemachten, köstlichen Apfelessig vorstellen wird. Den verkauft er inzwischen auch am hiesigen Wochenmarkt.

„Literatur findet Land“ von 12. – 14. Juni im Kammerlanderstall

Dieses Festival, das heuer mit seinem Intendanten Florian Gantner zum 7. Mal über die Bühne geht, hat sich in der Tat gut etabliert. Autorinnen und Autoren erhalten die Möglichkeit, ihre Werke einem neuen Publikum außerhalb der Städte vorzustellen. Der Oberpinzgau sorgt so für einen kreativen Austausch, für Vernetzungen und dauerhafte Kooperationen. Ehemalige Vortragende kehren zurück und engagieren sich etwa als Paten/Patinnen für die neue Kollegenschaft. Literatur sollte ja von Klein auf begeistern. Deshalb wird heuer auch die komplette Volksschule Neukirchen zu einer Lesung kommen. Das BORG Mittersill wird mit den Autoren Martin Peichl und Florian Gantner einen Schreibworkshop inclusive Lesung gestalten. Viel Abwechslung, Inspiration und Wortmächtigkeit macht das heurige Programm wieder aus. So wird die Salzburger Autorin und Trägerin des Rauriser Förderpreises, Katherina Braschel, die Zuhörerschaft mit frischer Sprache erfreuen. Das verspricht auch Dominika Meindl mit ihrem Buch über den Massentourismus in Hallstatt, in die ihre Poetry-Slam-Erfahrung einfließt. Die Pflegearbeit – auch ein Thema, das das Land interessiert – skizziert Regine Koth Afzelius in ihrem neuen Roman. Anna Weidenholzer und Bernhard Strobel sind weitere sprachgewandte Akteure. Als Höhepunkt des Festivals gilt Marc Carnals Ö1-Hörspiel des Jahres „Die Hochzeit“. Es thematisiert mit feinem Gespür eine chaotische Hochzeit auf dem Land und wird – man darf gespannt sein – statt einer klassischen Lesung von Teilnehmer:innen aufgeführt.

Dieser Verein erzählt viele Geschichten – und dies seit fast 40 Jahren

Seine Erlebnisse erzählt heuer zum Beispiel der Bramberger Malermeister Hannes Kirchner anhand einer Fotoausstellung im Kammerlanderstall von April bis Oktober. Eigentlich war er ja zum Klettern nach Madagaskar gereist. Dort aber wurde er von der Gastfreundschaft der Bewohner:innen geradezu überwältigt. Und er sah, wie bitter nötig diese Hilfe von außen haben. Fünfmal, zuletzt 2024, bereiste er nun schon diesen riesigen Inselstaat vor der afrikanischen Südostküste. Zurück kehrte er jedesmal mit vielen Impressionen und einer Menge Bildmaterial. Die neue Schau zeigt dies eindrücklich. Etwaige Spenden der Besucher:innen gehen an die Hilfsorganisation Vozama. Für die engagiert er sich und ist immer wieder dabei, wenn ein neuer Brunnen gebaut oder eine Schule eingeweiht wird. Das hat in seiner Familie übrigens Tradition: Tante Lisi hatte als Missionsschwester in Madagaskar bereits ab den 1960er Jahren die Armut dort bekämpft.

Stefanie Egger wiederum erzählt die Geschichte ihrer Großmutter in dem Theaterstück „Katharina“. Mit diesem will sie das Schweigen brechen, das mit dem Tod der Pinzgauer Kleinbäuerin mit nur 37 Jahren in der NS-Zeit verbunden ist. Es ist der Versuch einer Annäherung an wesentliche Ereignisse im Leben der achtfachen Mutter. Dies anhand von fiktionalen Szenen im Dialekt und poetischen Texten in Schriftsprache. Mit dem 50-minütigen Historiendrama würdigt die Autorin und Regisseurin ihre „Großmami“ posthum. Auch könnten andere ermutigt werden, verdrängte Familiengeschichte aufzuarbeiten. Das Bühnenstück ist harte Kost, das Ende aber versöhnlich. Für die Aufführung wurde eigens das Salzburger Amateurtheater „AlpenMohn“ gegründet. Im TAURISKA-Kammerlanderstall ist das Stück am 26. April, 19 Uhr, zu sehen.

Stefanie Egger ist im Oberpinzgau aufgewachsen und hat in Mittersill maturiert. Sie war bis zur Pensionierung Hauptschulpädagogin vor allem in Eugendorf und hat mit Mädchen und Buben zahlreiche Theaterprojekte auf die Beine gestellt.

Das Credo: Sich nach den kleinen Dingen bücken und doch weltoffen sein

Das haben die TAURISKA-Geschäftsführer Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter stets im Auge, wenn sie meinen: „Über den Zaun blicken ist genauso wichtig, wie nach regionalen Schätzen graben.“ So kommt es etwa, dass bei einem Konzert von ADEMA guitar Internationalität angesagt ist. Das bringt Musiker:innen zusammen, die aus Spanien, Italien, Salzburg, den USA und Brasilien stammen. Um globale Fragen handelt es sich indes wieder bei dem deutschen Volkswirt und Wachstumskritiker Niko Paech und seiner „Kohr-Summerschool“ am 11. September in Salzburg. Konkret wird den Schlagworten wie „Sanfter Tourismus“ und „Ökotourismus“ auf den Zahn gefühlt. Bei den Beteiligten aus Wissenschaft, Architektur und Tourismus geht es um den respektvollen und nachhaltigen Umgang mit der Natur weltweit.

Ausstellungen, Kulturwanderungen – und eine ergreifende Schnitzkunst

An einer Kurbel drehen, und schon bewegt sich ein wundersames Werkl – und das in Zeiten künstlicher Intelligenz! Die Figurenwelt des Steinberg Thoma (1909-1997) im Kammerlanderstall ist ein geradezu exotisches Geschenk an unsere Bildschirm-Gesellschaft und ein berührendes Zeugnis früheren ländlichen Lebens. Aber auch der Thoma kommt an der Technisierung nicht ganz vorbei. Zu unserem Glück! Denn ein digitaler Rundweg führt jetzt durch die Figurenwelt des Volkskünstlers und Knechts und so direkt zu den Betrachtern nach Hause. Stetig kommen von Engelbert Zlöbl frisch renovierte Thoma-Figuren hinzu. Wie sich diese in den mechanischen Szenen abmühen, das zeigt die ganze Härte des einstigen Dienstbotenlebens. Letzterem widmen sich drei besondere Nachbetrachtungen am 27. Juni: Der Theatermacher Charly Rabanser liest erneut aus dem Roman von Franz Innerhofer. Silvia Bengesser-Scharinger wird über den Knecht und Schriftsteller Georg Eberl berichten und Monika Brunner-Gaureck über ihre Dienstbotenforschung. Dies im Kammerlanderstall, wo  der Künstler Wilhelm Kastberger von Jänner bis April zu seinem 80er in einer großen Schau Kupfertreibarbeiten zeigt. In dem ehemaligen Pferdestall werden ab 14. November Gerhard und Franz Stotter sowie Doris Schamp in ihrer „Karikaturausstellung“ die Besucher:innen zum Schmunzeln, Lachen, aber auch zum Nachdenken bringen.

Die Schönheit der Welterbe-Stadt Salzburg wird im Frühjahr in einer historischen Wanderung erfahrbar. Der Salzburger Welterbe-Beauftragte Alexander Würfl lädt mit TAURISKA dazu ein.  Schließlich ist am 2. Mai eine Führung durch das Museum Schloss Ritzen in Saalfelden geplant. Hier ist auf vier Geschossen ein wahrer Pinzgauer Schatz zu sehen – so etwa die größte Krippenschau des Alpenlandes , Brauchtum, Wohnkultur, Mineralien.

Wo TAURISKA auch „mitmischt“

So etwa wieder beim „Internationalen Festival für textiles Handwerk, textile Kunst und Design“ von 21. bis 23. März in Bozen. Organisiert wird dieses von der „Europäischen Textilakademie“, in der die Vötters wissenschaftliche Beiräte sind. In der Achse Oberpinzgau-Südtirol hat es dabei schon einige gemeinsame Projekte, etwa zum Thema Schaf und dem Flachsanbau, gegeben.

Veranstaltungen, an denen TAURISKA auch dieses Jahr mitbeteiligt ist, sind zum Beispiel das „Komponistenforum“ in Mittersill im September; die Mundartlesung „Niedernsiller Stund“; der 2. Oberpinzgauer Frauensalon, der „DAXN Volksmusik-Lehrgang“ sowie die Adventlesung „Schreib’s auf“ im Dezember.    

Text: Christine Schweinöster

Literatur findet Land 2025

Mit Florian Gantner (Künstlerischer Leiter) hat man ein perfektes Bindeglied an Land gezogen: aufgewachsen in Neukirchen, lebt er als erfolgreicher Autor in Wien.

Einführung: Maria Piok (Literaturhaus am Inn, Innsbruck)

Autor*innen 25: Martin Peichl und Schüler*innen BORG Mittersill
Musik: Fargo, Lena Raubaum, Simon Sailer, Dominika Meindl, Katherina Braschel (Einführung: David Hoffmann), Marc Carnal mit Raffaela Schöbitz (Live-Hörspiel), Florian Gantner, Regine Koth Afzelius (Einführung: Peter Hodina), Bernhard Strobel, Anna Weidenholzer