Philosophie

Einblick in Leopold Kohrs Philosophie

Interview mit Leopold Kohr geführt von Ferdinand Wegscheider (1991), JedermannTV.

„Wo immer etwas fehlerhaft ist, ist es zu groß“

Dieses Zitat des Philosophen und Ökonomen Leopold Kohr (1909 – 1994) charakterisiert sein Lebenswerk. Mehr als 50 Jahre lang vertrat er die Theorie: Kleine Einheiten in Politik, Wirtschaft und Kultur sind der Tendenz zu übermäßiger Größe und Vereinigung weit überlegen. Er kritisierte zentrale Bürokratien, riesige Wirtschaftseinheiten wie die Europäische Union und predigte eine Rückkehr zu menschlichem Maß. Soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Entwicklung von Dörfern und Regionen war eines seiner Hauptziele. Dafür erhielt Kohr 1983 in Schweden den Alternativen Nobelpreis sowie 1989 das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. Sein Engagement für die Region Salzburg brachte ihn auch ins Bergdorf Neukirchen am Großvenediger, wo eine Akademie nach ihm benannt wurde.

Er gilt als eigentlicher Schöpfer des international bekannten Slogans „Small is beautiful“. Kohr schrieb:

„Da der Weg zur Größe kein Ende hat, und da die Einheitsfanatiker kein Ding finden, das sich nicht noch vergrößern ließe, können sie nirgends landen. Außer in der Irrenanstalt der Unendlichkeit.“

Wer war Leopold Kohr?
Leopold Kohr war Weltbürger. Bereits als Student unternahm er Reisen durch ganz Europa. Als Reporter im Spanischen Bürgerkrieg berichtete er für österreichische und Schweizer Zeitungen. 1938 flüchtete Kohr wegen seiner politischen Einstellung vor den Nationalsozialisten nach New York und arbeitete dann in einem Goldbergwerk in Kanada. Sein erster Job als Wissenschaftler führte ihn nach Washington. Danach erhielt Kohr einen Lehrstuhl an der Rutgers University in New Jersey. Später folgte eine Professur auf der Karibikinsel Puerto Rico. Außerdem lehrte er in Wales, wo er in Aberystwyth die walisische Unabhängigkeitsbewegung gegen die Zentralregierung in London unterstützte.

Geboren wurde Leopold Kohr jedoch 1909 in der Salzburger Landgemeinde Oberndorf, wo er auch seine Kindheit verbrachte. Diese Eindrücke ließen ihn trotz seiner Weltreisen nicht los. Gemeinsam mit Erfahrungen in anderen Regionen der Erde bestärkten sie ihn in der Entwicklung seiner Theorie der kleinen Einheiten.

„Was nicht in Oberndorf passiert, das passiert nirgends auf der Welt. Denn Oberndorf ist überall. Es gab dort Hochzeiten, Taufen, Firmungen, es gab Streit, sogar einen Mord, es wurde geschmuggelt … das Sündige und das Heilige gehören im Leben zusammen.“

Zitate aus dem Gesamtwerk Kohrs: gesammelt und zugeordnet von Dr. Günther Witzany