Leopold Kohr-Preis 2010

Bild: Verleihung Leopold Kohr-Preis 2010: von rechts: Preisträger Prof. Dieter Senghaas, Dr. Günther Burkert-Dottolo (Leiter der Abteilung für Forschungspolitik von Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten), LHst. Wilfried Haslauer, die Träger des Kohr-Förderpreises für ihr fairkehr-Projekt-Fang Liang He, Lukas Uitz, Erik Schnaitl, Herbert Kilian; Prof. Alfred Winter (Kohr Entdecker), Dr. Reinhold Wagnleitner (Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Leopold Kohr Akademie), Susanna Vötter-Dankl – Leiterin der Leopold Kohr Akademie — alle in einem Gehzeug von Fairkehr

 

Der Friedens- und Konfliktforscher Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Senghaas aus Bremen ist erster Preisträger des Leopold-Kohr-Preises. „Damit wird Prof. Senghaas der erste in einer Reihe von sicherlich herausragenden Persönlichkeiten, die in Zukunft nominiert werden, sein“, sagte der für Kulturelle Sonderprojekte des Landes ressortzuständige Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Wilfried Haslauer in seiner Laudatio bei der Verleihung des Leopold-Kohr-Preises 2010 in der Großen Aula der Universität Salzburg.

Prof. Dr. Dieter Senghaas ist Politologe, Sozialwissenschafter und Friedensforscher und lebt in Bremen. Geboren wurde er 1940 in Geislingen an der Steige (Deutschland). Dann studierte er in Frankfurt, forschte und lehrte in Harvard, Frankfurt und Bremen. Er ist einer der Mitbegründer der Friedens-, Konflikt- und Entwicklungsforschung und wurde mit zahlreichen Preisen und einem Ehrendoktorat der Universität Tübingen ausgezeichnet. Schon 1965 beschäftigte sich Senghaas – damals noch Student an der Universität Frankfurt – mit Leopold Kohr. Er verfasste für die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Rezension von Kohrs drittem Buch „Weniger Staat“. In den vergangenen Jahren widmete sich Senghaas in Büchern, Vorträgen und neuen Medien intensiv den Zusammenhängen von Krieg, Frieden und Musik und durchbrach damit – ganz im Sinne Leopold Kohrs – die Grenzen des traditionellen Wissenschaftskanons.

In ihrem 2014 neu herausgegebenen Buch: „Deutsche Politikwissenschafter – Werk und Wirkung“ würdigen die Autoren Eckhard Jesse und Sebastian Liebold das Werk des Professors: … „er sei ein herausragender Wissenschaftler, der eine ganze Generation von Menschen in der Friedensforschung, in der Friedensbewegung und in der entwicklungspolitischen ‚Szene geprägt hat …“. Dieter Senghaas, ehemaliger Professor der Universität Bremen ist heute Senior Fellow des dortigen Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien (InIIS).

 

Friedensforschung im europäischen Raum etabliert
Für Dieter Senghaas sei als Pionier der Friedens-, Konflikt- und Entwicklungsforschung immer der Frieden im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Der Preisträger habe maßgeblich dazu beigetragen, die Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland sowie im gesamten europäischen Raum zu etablieren, so Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer in seiner Laudatio. „Dieter Senghaas postulierte als notwendige Voraussetzungen für den Frieden Rechtsstaatlichkeit, politische Teilhabe, Gewaltmonopol und Affektkontrolle. Dies sind Errungenschaften der modernen Gesellschaften, bei denen wir manchmal vergessen, dass sie nicht selbstverständlich sind.“

Den Leopold-Kohr-Preis erhielt Prof. Dieter Senghaas für sein Lebenswerk im Sinne von Leopold Kohr.

 

Verkehrspolitisches Bewusstsein fördern
Den Leopold-Kohr-Förderpreis überreichte Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer an den Salzburger Erik Schnaitl von „fairkehr“, dem Verein zur Förderung verkehrspolitischer Bewusstseinsbildung. Der Förderpreis ist mit 5.000 Euro dotiert, der Leopold-Kohr-Preis mit 10.000 Euro. Beide Preise werden von der Leopold-Kohr-Akademie vergeben und vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gestiftet.

Der Verein „fairkehr“ wurde im Sommer 2007 von Erik Schnaitl gegründet. Der Verein zur Förderung verkehrspolitischer Bewusstseinsbildung veranstaltet Gehzeug-Aktionen und informiert in Workshops und Vorträgen über eine Verkehrsplanung, die über den Tellerrand der motorisierten Verkehrsteilnehmer hinausblickt. Im Mai 2010 organisierten Erik Schnaitl, Lukas Uitz und Fang Liang He das „fairkehrte Fest“ in der Stadt Salzburg. Es wurde die täglich von 24.000 Fahrzeugen frequentierte St.-Julien-Straße für zwei Tage gesperrt. Wo sonst Autos fahren, boten Rollrasen, Sträucher, Streetsoccer, Straßenmusikanten und Gastgärten Platz für menschliche Kontakte. Die Aktion entspricht vollinhaltlich Leopold Kohrs Forderung nach menschengerechten Städten und einer Entschleunigung des Lebens.

 

Verkehrsströme richtig steuern
„Kunst und Kultur seien wichtige Merkmale einer modernern Gesellschaft. Andererseits seien auch Verkehrswege, Straßen und technische Infrastruktur nötig“, sagte Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer über die Förderpreisträger „fairkehr“. „Das Gleichgewicht beziehungsweise das richtige Maß zu finden, ist eine große Herausforderung. Die Verkehrsströme richtig zu steuern, damit die Städte, Umlandgemeinden und auch weiter entfernte Gebiete eine hohe Lebensqualität aufweisen, ist nicht immer leicht, genauso wie das richtige Maß zwischen Autos, notwendigen Transporten, aber auch nicht unbedingt notwendigen kurzen Stadtfahrten, Muße, Lebensraum zu finden.“ Dass es dem Verein „fairkehr“ mit dem „fairkehrten Fest“ in der St.-Julien-Straße gelungen sei, sei daher umso beachtlicher. „Die Herausforderungen, vor denen die Welt heute steht, machen Kohrs Ansätze aktueller und zeitgemäßer denn je“, so Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer weiter. „Kleinräumigkeit und eine neue Bescheidenheit stehen als Alternative zur Globalisierung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im Raum. Für uns in Salzburg, aber auch darüber hinaus, gilt es, von Kohr zu lernen, dass am Beispiel Wirtschaft eine Vielzahl an Klein- und Mittebetrieben zweifellos krisen- und arbeitsplatzsicherer sind und dadurch menschlicher als Multikonzerne, die in Form des Raubtierkapitalismus schonungslos gegen die Menschen und für die Gewinnmaximierung einiger Weniger agieren.“ Es sei daher erfreulich, dass der Leopold-Kohr-Förderpreis an ein engagiertes regionales Projekt in Salzburg gehe, so Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer, der sich bei Prof. Alfred Winter, dem Leiter des Referates für Kulturelle Sonderprojekte des Landes und „Entdecker“ Kohrs, bei Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter von der Leopold-Kohr-Akademie für die Organisation des Leopold-Kohr-Jahres, beim wissenschaftlichen Beirat und Geschichts- und Politikwissenschafter Univ.-Prof. Dr. Reinhold Wagnleitner sowie bei der Jungen Philharmonie Salzburg bedankte.